Montag, 4. April

Dass es sehr wohl unter solchen Bedingungen das unbändige Streben und die Ermöglichung von Zukunft gibt und viel mehr Gutes geschieht als man sich vorstellen kann, konnten wir am nächsten Tag erfahren. Wir gingen abermals durch einen Teil des Slums, in dem an die 100.000 Menschen wohnen. Es hatte während der Nacht wieder geregnet. Und diesmal konnten wir das Elend aus noch größerer Nähe betrachten: Kleinsthütten aus verschiedenen rostigen Blechen drängten sich aneinander. In eine durften wir hineinschauen. Es gab drinnen ein Bett und einen Tisch auf etwa sechs Quadratmetern, wo eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern wohnte. Überall kleine Kinder, die draußen im Dreck spielten. Zum Teil lief das Wasser gefährlich hoch durch die engen Gassen. Und dann mittendrin eine Schule – auf Stelzen erbaut – trocken auch nur mit hohen Stiefeln zu erreichen. In den kleinen Klassen drängten sich zwischen 30 und 40 SchülerInnen. In ihren Schuluniformen vermittelten sie jedoch ein Bild von Sauberkeit und Ordnung. Ihre Disziplin erlebten wir als Gegenbild zur Kriminalität, die den Erzählungen zufolge ein selbstverständlicher Teil der Umgebung ist.

Das war die ärmlichste Schule, aber nicht die einzige. Ganz in der Nähe waren zwei Vorschulklassen in Hütten einquartiert – in der Nähe eine Küche, wo es für die Kinder am Vormittag einen Brei und zu Mittag ein einfaches warmes Mittagessen gibt.

Das Mittagessen gibt es in allen Schulen, die wir unterstützen, und viele Kinder gehen vor allem deswegen gerne zur Schule. Manche essen nur die Hälfte und nehmen die andere Hälfte für ihre Geschwister mit. Es leben sehr viele verlassene Mütter mit ihren Kindern im Slum. Viele Kinder sorgen überhaupt allein für ihre Geschwister.

Deswegen stehen den von uns unterstützten Schulen Sozialarbeiter zur Verfügung, die zuerst die Bedürftigsten aus dem Viertel herausfiltern und ihnen einen Schulbesuch ermöglichen und dann bei auftretenden Schwierigkeiten mit den Schülern die Eltern aufsuchen, um zu Hause die wirklichen Probleme zu erkennen und Abhilfe zu schaffen. Sie sind bei der Arbeitssuche behilflich und versuchen bei häuslicher Gewalt und Süchten Unterstützung zu vermitteln. Sie bieten den Eltern auch Kurse an, um sie in Fragen der Partnerschaft und bei ihren Erziehungsaufgaben zu beraten.

Wir besuchten mehrere ,,primary‘s“, also Volksschulen bis zur sechsten Klasse, die offenbar durch den Charakter der Direktionen und Lehrer dann doch sehr unterschiedlich waren und auch unterschiedliche Zusatzangebote hatten – von Musik bis zum Sport. Die Schüler waren überall sehr couragiert, begrüßten uns herzlich durch den Klassensprecher – alles in schönstem Englisch, das nach der Vorschule überall Unterrichtssprache ist.

Ein besonderes Erlebnis vermittelte uns die von den Schwestern geführte ,,secondary school“, die bis zur Matura führt und den SchülerInnen alle Wege für ein besseres Leben aufmacht. Leider ist sie viel zu klein und aus räumlichen Gründen auch nicht erweiterbar, sodass nur die Besten aus den ,,primary‘s“ dort aufgenommen werden. Dementsprechend gut ist sie ausgestattet. Auch die Schuluniformen sind an die einer Eliteschule angeglichen. Und die Reden des Schulsprechers und der Klassenvertreter – jeder erzählte kurz die eigene Geschichte – waren von hoher inhaltlicher und sprachlicher Qualität, aber auch vom Vortrag beeindruckend. Dazwischen gab es tänzerische Einlagen voll von Lebensfreude und großer Perfektion, in die wir zum Gaudium der übrigen SchülerInnen auch einbezogen wurden. Die Begegnung insgesamt hat uns alle mit Freude erfüllt – auch deswegen, weil wir erleben durften, wie unsere materielle Unterstützung Früchte trägt und die jungen Menschen ihre Chancen nützen.

Denn es ist wirklich eine Chance, die in einem Viertel, wo jede Schule mehrere Sicherheitsdienste anstellen muss, weil die Kriminalität eine ernste Bedrohung darstellt, und wo Hunger eine alltägliche Plage für die Mehrheit der Bewohner ist, ein Privileg bedeutet und genützt werden will. Die Schwestern bieten aber auch gestrauchelten Jugendlichen im Viertel mehrmonatige Kurse an, um ihnen mit ganzheitlichen Erziehungsprogrammen neue Möglichkeiten zu eröffnen, ihr Leben zu meistern und ihre Verantwortung etwa für ihre Kinder wahrnehmen zu können.

Zwei Projekte des freikirchlichen Pastors Idaki, die die Caritas Kärnten beim Aufbau entscheidend unterstützt hat und nun nur mehr in Kooperation mit der Diakonie mit kleinerem Aufwand unterstützt, sind die Fußballakademie „Akakoro“ und eine Lehrbäckerei. Bei einem Fußballmatch Sonntagnachmittag konnten wir mitverfolgen, wie die Kinder der Fußballschule nicht nur exzellent spielten, sondern eine bewundernswerte Disziplin und ein Zusammenspiel an den Tag legten, die uns sehr beeindruckten und mit großem Respekt vor ihren österreichischen Lehrmeistern erfüllten; natürlich freuten wir uns mit den Kindern, als sich ihr Spiel auch in Tore verwandelte. Angeblich haben sie in ihren Altersklassen in Kenia keine Gegner. Es ist also zweifellos ein wertvolles Projekt für Kinder –vornehmlich Buben –, die die dazugehörige ,,Primary“ besuchen und die Freizeit miteinander beim Fußballspielen verbringen.

Und auch die Bäckerei scheint nach anfänglichen Problemen nun so richtig anzulaufen. Ein österreichischer Bäckermeister bringt endlich das nötige Fachwissen und den Enthusiasmus mit, der bei solchen Projekten einfach dazugehört. Es ist absehbar, dass die Bäckerei bald keine zusätzlichen Spendenmittel mehr brauchen wird. Bei den Schulen, die aber letztlich die Grundlage für solche Projekte bilden, wird das nie gehen. Deswegen müssen wir weiterhin versuchen, möglichst viele SpenderInnen zur Unterstützung gerade der Schulen zu gewinnen.

Auf jeden Fall haben wir an den ersten beiden Tagen erfahren dürfen, dass es sich um gute, wertvolle und nützliche Projekte handelt, die wir mit österreichischer Hilfe unterstützen. Das wiederum gibt uns das Vertrauen, weiterzumachen und möglichst vielen Menschen zu vermitteln, dass jeder Euro unserer Spender in Korogocho gut angelegt ist.