Zwischenstopp in Kampala

Wir haben wieder acht bis neun Stunden Autofahrt vor uns. Ich fürchte mich schon ein wenig davor. Ein Teil der Strecke ist in einem sehr schlechten Zustand und eine gute Federung bei diesen Autos gibt es einfach nicht. Natürlich ist es spannend die Umgebung zu sehen, die Veränderung der Vegetation und die kleinen Dörfer entlang der Straße. Die Kinder sind allgegenwärtig. Es sind gerade Schulferien, ich weiß nicht, wie viele Kinder trotzdem auf der Straße wären, weil sie generell keine Schule besuchen.


Am späten Nachmittag erreichen wir Kampala. Die Straßen sind verstopft, die meisten Nebenstraßen sind noch immer nicht asphaltiert. Straßenregeln gibt es eigentlich keine. Ich bin froh, als wir das Haus der Schwestern erreichen. Sr. Vedrana erkenne ich sofort wieder. Ich habe sie auf Fotos gesehen, sie ist seit Jahren eine verlässliche Partnerin der Caritas Kärnten und hat mit Peter Quendler schon viele Projekte umgesetzt. Neben ihr steht ein kleiner, schüchterner aber entzückender Junge. Welche Überraschung, ich habe nicht mit so einem kleinen Kind in ihrem Haus gerechnet, da sie vor allem Jugendliche ausbildet und begleitet.


Sie erzählt uns die Geschichte von Martin…


Martin hat keine Eltern, sie sind beide an AIDS gestorben als er noch sehr klein war. Eine Tante hat sich seiner angenommen. Aber hier bedeutet es einfach einen Esser mehr am Tisch. Ich kann nach einigen Tagen in Uganda ein wenig besser verstehen, welche Schwierigkeiten das mit sich bringt. Liebe hat dieser kleine Junge noch nie erfahren. Eigentlich war er im Haus seiner Tante nicht gewollt. Sie kann ihre eigenen Kinder kaum ernähren. Wie viele in der Gegend hat auch ihr Mann keine Arbeit. Er trinkt viel, schlägt sie und die Kinder, aber besonders Martin, er ist nicht einmal sein eigenes Kind. Martin hat verkrüppelte Füße, ich habe nicht herausgefunden warum. Ist es angeboren oder ist ihm das zugefügt worden, ich will nicht darüber nachdenken, sonst breche ich sofort in Tränen aus und das wäre das letzte was in dieser Situation helfen würde. Sr. Vedrana hat sich seiner angenommen, um endlich einen Arzt für ihn zu finden, der ihm helfen kann. Die ersten speziellen Schuhe haben keinen Erfolg gebracht, ich bin kein Orthopäde, aber die enorme Verformung der Füße kann meines Erachtens nur durch eine Operation behoben werden. Nun ist er also in Kampala und wartet darauf, dass sich ein Arzt erbarmt und die Operation kostenlos durchführt.


Martin ist fasziniert von meiner Kamera. Es gibt zwei kleine Katzen im Garten, die will er mir zeigen. Er ist schüchtern, schaut mich aber mit seinen großen Augen hoffnungsvoll an. Wir spielen mit den kleinen Katzen und schön langsam spricht er ein paar Worte englisch mit mir. Auch nach Monaten im Haus der Schwestern ist er es noch immer nicht gewohnt, dass ihm jemand liebevoll übers Haar streicht. Er ist fast gleich alt wie mein Sohn.


Wie schon in Albanien, weiß ich einmal mehr, warum ich meinen Job mache, wegen Kinder wie Martin. Wir können nicht allen helfen, aber wir können probieren, das Schicksal einzelner zu verbessern, ihnen die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben zu geben, das ist die Arbeit der Caritas, das sehe ich auch als meine Aufgabe, den Menschen zu Hause zu vermitteln, was es heißt, nicht im sicheren Österreich auf die Welt zu kommen.