Zweiter Tag in Loyoro

7:00 Messe, danach Frühstück.

Gartenbesichtigung mit Pater Philip. Die Gärten sind großzügig angelegt, die Arbeit beginnt in vielen Ecken gerade erst, da die Regensaison startet. Jeder hofft hier auf eine bessere Regensaison als letztes Jahr, der unzureichende Regen lässt die Menschen hier mittlerweile verzweifeln, weil sie kein Gemüse von der letzten Saison vorrätig haben.

Man sieht schon Bohnen, Tomaten, Schnittlauch, Spinat und andere Pflanzen. Nachdem es in der Nacht stark geregnet hat, sind alle auf der Suche nach „White Ants“, fliegenden Ameisen, welche gesammelt werden. Diese Tierchen liefern wichtige Proteine, auch wenn es für mich unvorstellbar ist, fliegende Ameisen zu essen. Das Leben hier ist wirklich eine Herausforderung. Die Menschen sind eigentlich permanent unterernährt. Jetzt während des Regens müssen die Felder bestellt werden, es gibt jedoch zu wenig Nahrung, um die kräfteraubende Arbeit auch zu verrichten. Es arbeiten sowohl Männer als auch Frauen und die Kinder auf den Feldern. Allerdings müssen die Menschen ihre Äcker mit der bloßen Hand bzw. mit einer kleinen Harke bestellen, Ochsen oder gar einen Traktor gibt es in dieser Region nicht. Die Menschen sind zu arm, als das sie sich einen Ochsen leisten könnten.

Danach besuchen wir ein typisches Dorf. Wir gehen einen schmalen Pfad entlang, überall gibt es riesige Kakteen. Der Eingang zum Dorf ist einen halben Meter hoch. Es soll die wilden Tiere abhalten. Wir befinden uns schon die ganze Zeit in einer anderen Welt, aber hier wird mir noch einmal mehr bewusst, was es heißt in Karamoja zu überleben. Es gibt kleine Rundhütten, wo die Kinder am Boden schlafen. Alles spielt sich draußen ab, die Hitze ist unerträglich. Überall sind Fliegen, obwohl das Dorf sauber wirkt. Die Familie ist ausgezehrt. Die größeren Mädchen schauen besser aus, sie bekommen in der Schule eine warme Mahlzeit, das macht sich bemerkbar. Das kleinste Mädchen ist vielleicht 2 Jahre alt, die Händchen sind so dünn, sie wirkt irgendwie krank. Die Mutter erzählt uns, dass sie mittlerweile nur noch abends etwas essen, mehr gibt es nicht. Wie sie ohne Hilfe bis zur ersten Ernte im August überleben sollen, ist mir ein Rätsel. Hier sieht man nicht nur Armut, hier sieht man das nackte Überleben.

Am Nachmittag fahren wir weiter nach Norden, in den Distrikt Kaabong. Die Straße führt durch endlose Wildnis, hie und da sieht man ein Haus, meistens von der Regierung oder von Missionaren errichtet. Es gibt hier nichts, außer Natur. Nach einer Stunde Fahrzeit und 20 zurückgelegten Kilometer erreichen wir so etwas wie ein Dorf. Der Regen hat uns gerade eingeholt, es schüttet aus Kübeln. Pater Philip zeigt uns eine Primary Schule mit angrenzender Wohnung für den Lehrer. Wir befinden uns im nirgendwo. Soweit das Auge reicht sehe ich Buschlandschaft. Ich frage mich, wer hier freiwillig arbeiten will. Die Schule, ja nennen wir es Schule, besteht aus exakt 2 Räumen, die Türen gibt es nicht mehr. Innen sehe ich keine Tische oder Stühle, die Kinder sitzen am Boden. In einem Raum lernen derzeit 98 Kinder im zweiten Raum sind es 31 Kinder. Der Lehrer hat einen Assistenten, das ist das ganze Personal für 129 Kinder. Bei uns wäre das unvorstellbar. Ehrlich gesagt, bin ich so schockiert darüber, dass mir die Anzahl weniger ausmacht, als die Tatsache, dass die Kinder nicht einmal einen Tisch zum Schreiben haben. Eine Frau hat mittlerweile vor dem starken Regen Unterschlupf gesucht. Sie probiert, ihr Feld zu bestellen. Der Regen ist heuer spät gekommen, es ist der erste Regen überhaupt in Kaabong. Es wird für die Menschen hier wieder eng, denn sie haben nur ein paar Wochen um das Feld zu bestellen und die Samen auszusetzen. Diese Menschen hier haben auch keine Ochsen oder andere Behelfsmittel um die Felder zu bestellen. Voriges Jahr kam zu wenig Regen, die Ernte fiel teilweise aus. Ich hoffe für die Menschen hier, dass es heuer besser wird. Die klimatischen Veränderungen trifft die Bevölkerung härter als anderswo. Wir in Österreich haben auch Ernteausfälle und schwere Schäden zu beklagen, aber wir müssen deswegen noch lange nicht hungern und die Kinderarme sind dadurch nicht dünner geworden, es sterben auch keine Kinder, weil es permanent zu wenig zu essen gibt. Das sind die kleinen Unterschiede, die der Klimawandel mit sich bringt, die die Menschen in Afrika ums nackte Überleben kämpfen lassen.

10. Mai

Heute ist Muttertag.